
Kurzcheck: Darum geht es in Voll auf die 18
„Ich will nichts beschönigen“, sagt das Känguru. „Was wir vorhaben, klingt nach einem Himmelfahrtskommando! Wir wollen Nazis besiegen“, ruft es, „durch Argumente!“ Ich weiß selbst, dies gleicht dem Versuch, Krokodile zu bekämpfen … mit Mozzarella-Sticks!
Mit sonorer Stimme wird der Flavour-Text durch die App vorgelesen. Die Nazis liegen als Kartenstapel gut sichtbar in der Mitte des Tisches. Alle 45 Sekunden schallt ein lautes „Achtung!“ in bester SS-Manier durch den Lautsprecher, und ein neuer Nazi ergänzt die Versammlung. Scharren sich vier Nazis rund um den Nazistapel, ist der Nazi nicht mehr zu erreichen, und wir haben verloren. Unsere Aufgabe: Die Nazis mit Argmenten überzeugen. Im Prinzip ganz einfach. Ihr müsst alleine oder gemeinsam 2 oder mehr Karten ausspielen, die genau den Intelligenzquotienten des Nazis treffen. Ein Kartenspiel mit aufgedruckten Werten und doch so viel mehr.

Schneller Einstieg
Ich drücke meinen Schülern die Anleitung in die Hand. Die Anleitung klärt wichtige Begriffe, und ruckzuck haben die Schüler die App installiert. Die App führt euch brutal einfach und lustig ins Spiel ein. Zehn Minuten nachdem das Spiel ausgepackt wurde, spielen wir zu fünft Voll auf die 18. „Achtung!“ schreit uns die App nach 45 Sekunden entgegen, und ehe wir es uns versehen, versammeln sich drei Nazis auf dem Kornmarkt. Ist das legal? Haben die das Recht auf Versammlung? Nachdem wir alle etwas verhalten den Auflauf der rechten Suppe beobachtet haben, wird ein Schüler aktiv. „Ich habe zwei 3er, ich kann den Nazi überzeugen“, sagt er, und wirft die Karten in die Mitte.

Ligretto Vibes
Ich fühle mich hart an Ligretto erinnert. In der Familie lieben wir dieses schnelle Spiel und Voll auf die 18 hat definitiv Ligretto Vibes. Jeder Spieler hat einen einzigartigen Charakter, der spezielle Fähigkeiten besitzt. Herta darf zum Beispiel nur Karten mit gleichem Zahlenwert Argumente ausspielen. Hat sie keine passenden Argumente, muss sie sich mit anderen unterhalten, um an passende Karten zu kommen. Der Kleinkünstler mit seiner Gitarre hält gerne lückenlose Vorträge. Logisch, er spielt ja Musik. Also müssen seine Argumente Zahlen in einer aufeinanderfolgenden Reihe sein.

Metaebene
Nach der ersten Runde diskutiere ich mit den Schülern über die Metaebene des Spiels. Zu jedem Kapitel wird eine kurze Geschichte erzählt, voll mit intelligenten und versteckten Anspielungen. Das ist sehr stark und macht richtig Bock. Mit den Schülern meines beruflichen Gymnasiums klappt das gut, mit meinem Berufsvorbereitungsjahr geht diese Form des Wortwitzes verloren. Dafür amüsieren sich die Schüler über die platte Darstellung der Nazis. Auch über die Tatsache, dass die Nazis, die hohl wie eine Scheibe Toast sind, viel schwerer zu überzeugen sind.

Schwierig
Das Spiel zieht schnell die Zügel an und schiebt dafür die thematischen Spielmechaniken geschickt ins Scheinwerferlicht. Bereits im zweiten Kapitel müsst ihr neben dem Argumentieren gegen die Nazis eure Bibliothek mit Wissen füllen. Dafür sind auf den Karten des Nachziehstapels Aufgaben oder Farbkombinationen aufgedruckt. Wird eine solche Bedingung erfüllt, wandert die Karte in die Bibliothek, denn unser Wissen wird erweitert. Natürlich hilft uns dieses Wissen beim Argumentieren gegen die Nazis.

Beide Seite
Das Spiel ist schnell und gut. Wir arbeiten zusammen, und die App schickt uns immer weiter Nazis nach. Wir müssen den kompletten Stapel überzeugen und dabei effektiv vorgehen, denn wenn uns die Argumente ausgehen, also der Nachziehstapel, verlieren wir auch. Dabei werden wir im Team schnell besser, denn man muss schnell zusammenspielen. Es gilt, keine Zeit gegen Rechts zu verlieren. Wir tauschen Karten, erweitern die Bibliothek und haben richtig Spaß.
Diskussionsstoff
Die vielen Charaktere mit ihren unterschiedlichen Statements bringen Diskussionsstoff mit rein. Ein Schüler greift das Statement von Maria auf: „Zu viele Links führen nach Rechts“, sagt er, „aber die Linken sind doch der Gegenpol zu Rechts.“ Ohne auf die Diskussion genauer einzugehen, ist es einfach schön zu sehen, was ein Spiel wie Voll auf die 18 bewirken kann – nicht immer in dieser Dimension und Tiefe, sondern durchaus auch niederschwellig. Ein Schüler meines Berufsvorbereitungsjahres feierte den Star-Wars-Spruch auf einem Argument: „Die Macht hat großen Einfluss auf die geistig Schwachen.“ Und schwupps diskutierten wir die Querbezüge der Star-Wars-Filmen zum Nationalsozialismus.

Fazit
Voll auf die 18 überzeugt auf zwei Ebenen. Es taugt als kooperatives Familienspiel für schnelle, chaotische und lustige Abende. Wer Ligretto gerne spielt, hat hier seine Freude. Die App ist dabei sehr gut, witzig und hilfreich aufgebaut und unterstützt das Spiel. Die zweite Ebene thematisiert die eindeutige Position und den Kampf gegen Rechts spielerisch mit unterschiedlichen Zugängen. Hier ist sehr viel Wortwitz am Start, der passgenau mit den Spielmechaniken verbunden ist.
Autor Marc-Uwe Kling hat gemeinsam mit Pegasus/Edition Spielwiese ein tolles Spiel entworfen – nicht aufgesetzt, sondern kurzweilig und doch mit ausreichender Tiefe. Pegasus bringt dieses Spiel zudem sehr günstig auf den Markt. Voll auf die 18 ist ein Herzensprojekt. Der Gewinn aus dem Verkauf des Spiels wird von allen an dem Projekt Beteiligten an Organisationen gespendet.

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Wieder ein schöner Bericht. Und ich finde gerade den leichten Einstieg und den damit verbundenen Diskussionsstart super.
Es braucht nicht immer die volle Tiefe und elaborierte Grundsatzdiskussion. Oft ist mehr erreicht, Nazis als Nazis zu verurteilen.
Und das gelingt hier spielerisch super.