Lesezeit: 7 Minuten

Ich werde euch das was folgt nicht wirklich erklären können. Es wird zwischen Bewertung und einigen Textpassagen eine große Diskrepanz enstehen. Ohne selber Hand angelegt zu haben, kann man das was mir mit Mount & Blade Warband widerfahren ist nicht verstehen. Oder bin ich einfach nur ein komischer Typ? So ein Hipsterkautz der das uncoole, technisch minderbemittelte hässliche Entlein abfeiert. Keine Ahnung was mit mir passiert ist, aber das Open World Mittelalter-Rollenspiel, mit Aufbau- und Strategieelementen, hat mich fasziniert.

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Zeitmaschine

Der Schreck fährt mir nach dem Start von Mount & Blade Warband durch die Glieder! Bin ich in eine Zeitmaschine geraten? Vielleicht Dimensionsportale?  Nein, die PS4 steht noch im Schrank und ich scheine immer noch mitte 30 zu sein. Das eine ist gut, über das andere kann man sich streiten. Nicht schlecht Mount & Blade Warband, für eine Sekunde hätte ich dran geglaubt. Man muss das erstmal verarbeiten. Wo soll ich anfangen? Bei den penetranten pergament-farbenden Bildschirmhintergründen in Menüs oder Gesprächen, der die oft wenigen Textelemente mit Vorschlaghammer-Style erschlägt? Dem gruseligen Charaktereditor, der zwar viele Schieberegler beinhaltet, aber kein Ergebnis zulässt, welches ich 2016 als meinen Avatar rumlaufen lassen möchte? Klar, es handelt sich hier um ein HD Port der PC Fassung aus dem Jahre 2010, aber man kann es nicht anders sagen, Mount & Blade Warband ist schlecht gealtert.

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Hilfe, meine Augen

Im Spiel habe ich landschaftlich nicht einen Ort gesehen an dem ich länger verweilen möchte, grobe Texturtapete trifft ein Artdesign von vorgestern. Ein Morrowind aus 2002 ist definitiv schicker. Die Innenräume sind durch manch netten Lichteffekt, nein, irgendwie doch nicht. Ein Buch auf einem Tisch macht einen fast leeren Raum eben nicht zum heimeligen Wohnzimmer. Der grafische Ersteindruck ist im Jahre 2016 auf der PS4 unterirdisch und wird wohl den meisten Leuten schnell das Weite suchen lassen.

Gut, ich bin im Herzen Spartaner, oder Hipster – vielleicht ist es im Prinzip die gleiche Sorte Bart Mensch – und so wage ich den Schritt in das Tutorial. Hier erlerne ich das Reiten, das Kämpfen mit dem Schwert und das Zielen und Schießen mit Armbrust, Bogen und Speer. Untermalt sind diese Lehrstunden mit hässlichen Textboxen, riesigen Pfeilen die mir Tutorial Objekte zeigen und übergroßen Einblendungen der Controller Buttons. Warum macht man das so unelegant? Wer soll hier begeistert werden?

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Warum bleibt man am Ball?

Es sind die Animationen. Ach, ne, warte, die sind auch sehr holprig und haben bisweilen die Geschmeidigkeit der Augsburger Puppenkiste. Es ist der Kampf der mich im Tutorial das erste mal aufhorchen lässt. Beim Schießen braucht man etwas Timing, aber das kriegt man irgendwie hin. Dann kommt der Schwertkampf. Hier gibt es vier Schlagrichtungen. Von Oben, jeweils Schnitte/Schläge von der Seite und einen Stich nach vorn. Man muss während des Schlags zeitgleich die Richtung auswählen, was leichter klingt als es ist. Die Verteidigung steuert sich gleich. Heißt, ich muss versuchen im Angriff meinen Gegner auszutanzen. In der Verteidigung antizipieren wo der Schlag des Gegner landet. Ohne Gefühl für die Waffenreichweite und Schlaganimationen ein schwieriges Unterfangen. In der Hektik und Dramatik der Gefechte ist die Optik vergessen. Keine Frage, der Schwertkampf macht Laune und hebt sich definitiv positiv von den Zahlreichen Rollenspielen ab.

Das gleiche betrifft das Reiten. Es sieht nicht schön aus, aber der Gaul unterm virtuellen Arsch fühlt sich echt an. Das hier ist kein geschmeidiges Reiten a la Assassins Creed, das hier holpert und bockt. Mit der Lanze im vollem Galopp den Gegner treffen? Selbst im Tutorial gegen starre Ziele habe ich oft versagt. Als ich dann noch mit dem Bogen aus dem  Sattel auf Zielscheiben schießen sollte, merkte ich, das hier ist etwas mehr Simulation als in einem herkömmlichen Triple-A Rollenspiel. Trotz schlechter Reitfähigkeiten, meinerseits wohlgemerkt, wollte ich nun gucken was der Singleplayermodus von Mount & Blade Warband bietet.

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Einfach Anders

Ab hier keine Worte mehr zur Optik. Es wird niemals besser als das was ich Anfangs beschrieben habe. Man darf nicht hoffen, man muss es akzeptieren. Die Charaktererschaffung fühlt sich dann nach Pen&Paper Rollenspiel an. Man klickt sich durch einen Fragenkatalog der abklopft was die Eltern für einen Stand hatten, was man in seiner Kindheit und Jugend getrieben hat und warum man überhaupt in die weite Welt hinaus zieht und wo man dort starten möchte. Das erfreut und weckt weitere Hoffnung auf Tiefgang. Ich habe mich für die Nordmänner entschieden. Nun werden noch diverse Punkte in Fertigkeiten und Attribute gesteckt und los kann es gehen. Nach einem weiteren kurzen Einführungstext und einem Zwischenspiel in einer dunklen Gasse, lande ich in einer Schenke meiner Startstadt. Hier kriege ich die erste Quests. Ich soll Banditen ausfindig machen und einen Freund des Schankwirts befreien. Nicht spektakulär, aber immerhin keine Ratten.

Verwirrt runzle ich die Stirn als ich zur Tür hinausmarschieren möchte. Sie geht nicht auf! Das ist kein Bug, das ist in Mount & Blade Spielkonzept. Man verlässt die Schenke in dem man auf der Kreistaste ein Optionsmenü einblendet in deren Auswahl ich meinen nächsten Ort auswähle. In der Stadt könnte das der Markt sein, die Schenke oder z.B. der Palast des Jarls. Ich kann auch weiterziehen wählen, dann befindet sich mein Avatar auf einem Pferd auf der riesigen Weltkarte und lässt sich wie in einem Strategiespiel per Klick überall hinbeordern. Auf der Weltkarte reise ich in Echtzeit umher und kann, wenn in Reichweite meines Avatars, Dörfer, Burgen oder andere Personen wie Händler, Armeen oder Banditen sind, diese anklicken. Je nach Art des Ziel startet eine andere Interaktion. Mal fange ich in einem Textfenster ein Gespräch an oder ich befinde mich in einem abgeschlossenen Areal, wie z.B. der Schenke, in bekannter Third-Person Ansicht. Es ist eine erfrischende Mischung aus Weltkarte und ausgearbeiteten Arealen und erinnert an frühere Final Fantasy Spiele.

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Absolute Freiheit

Schnell wird klar, überall gibt es massenhaft Quests. Ebenso schnell erfasst man, Mount & Blade Warband hat keine Story. Quests dienen dazu das Ansehen bei diversen Adelsfamilien, Dörfern und Reichen zu steigern, oder zu senken, je nach Vorgehen und wem man auf das Kettenhemd tritt. Und es sorgt für Geld im Säckle. Die Reichen führen untereinander Krieg, es werden Herrscher gefangen genommen und Dörfer geplündert. Ein Newsticker berichtet beim Reisen auf der Weltkarte im Sekundentakt was wo gerade passiert. Diese Welt sieht vielleicht hässlich aus, es passiert aber verdammt viel. Ich bin aber ein Niemand, keiner der Jarls hier im Norden kennt meinen Namen. Auch habe ich nur wenige Taler, noch habe ich Anhänger. Ich erfahre durch Gespräche welche Burgen und Dörfer reich sind, und höre etwas über Rohstoffe und Güter. Für mich noch bömische Dörfer. Ich fühle mich etwas verloren in dieser Sandkiste.

Die Banditen der Quest entpuppen sich als kleinere Horde. Ein weiteres wichtiges Merkmal von Mount & Blade, alleine kämpft man hier selten. Also ziehe ich mit dem wenigen Geld in benachbarte Dörfer und rekrutiere zwölf einfache Nordmänner. Zurück auf der Weltkarte zum Banditenversteck. Ich aktiviere die Begenung und stürme auf dem Pferd, das Schwert emporgestreckt der Höhle entgegen in der die elenden Banditen leben. Neben mir die zwölf Nordmänner. Sie sehen jämmerlich aus mit ihren kleinen Äxten und Baumwollhosen, aber sie brüllen vor Kampfesfreude und es sind meine Männer. Gute Männer! Ich gebe Befehle ein um die Meute zu koordinieren und presche mit meinem Gaul in die Feinde. Es sind an die zehn Banditen und die Schlacht beginnt. Na gut, Scharmützel.

Auf dem Weg zum König

Mit der Zeit mehrt sich mein Einfluss bei einigen Jarls, meine anfänglichen Nordmänner sind durch viele Schlachten zu tapferen Kriegern geworden – wenn auch nur wenige der ersten zehn überlebt haben. Ich habe Bauersfrauen für die Nahrung dabei und Bogenschützen. Aus Scharmützeln sind wirkliche Schlachten geworden, die einiges an Geschick verlangen, da ich als General die Truppen befehlige. Das darf man übrigens in Englisch per Voice-Befehl! Ich könnte mich einem Jarl verdingen, oder mir Ländereien kaufen. Dort Gebäude bauen um Waren herstellen zu lassen und Steuern einzutreiben. Oder ich plündere Dörfer aus anderen Reichen? Nehme Herrscher gefangen? Oder Sklaven? Mein schartiges Schwert ist schon lange einem edlen Langschwert gewichen. Man kennt mich hier jetzt, zumindest im Norden. Vielleicht ermöglicht mir dies eine Hochzeit? Ihr merkt, das hier ist nicht nur ein Open World Rollenspiel, es wandelt sich mit der Zeit immer mehr zu einem globalen Strategiespiel. Auf dem Weg zu diesem Zustand ist mehr Zeit vergangen als es die Optik versprochen hat. Aber Kopfkino ist manchmal größer, vor allem dann wenn sich ein Open World Mittelalter-Rollenspiel als Thronsimulator mit gigantischen Möglichkeiten entpuppt. Das Ziel ist der Thron über diese Welt! Den Weg dahin pflasterst du allein.

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Multiplayer

Belagerungen, kleine Schlachten und Arena/Gladiatorenkämpfe, alles das ist möglich in Mount & Blade Warband. Bis zu 64 Spieler können sich auf die Stahlhaube hauen! Und im Prinzip ist das auch eines der Stärken des Spiels, weil die Spielerfähigkeit die Waffen zu beherrschen und richtige Taktiken auszutüfteln, über Sieg und Niederlage entscheiden. Und bei dem Schlachtengewusel ist es dann auch wieder viel verschmerzbarer das die Grafik eben nicht Highend ist. Leider fehlt der Mod-Support der PC Version, auf dem Mount & Blade Warband eigentlich sein zu Hause hat.

Fazit

Man muss ganz ehrlich an Mount & Blade Warband herangehen und wissen was einen erwartet und selbst dann ist die technische Ebene ein Schock. Kein Ort in dieser Welt ist es wirklich wert gesehen zu werden. Was für jedes andere Open World Rollenspiel der absolute Todesstoß zwischen die Rippen wäre, kann Mount & Blade Warband parieren. Nicht elegant, dafür ist der Hieb der schlechten Präsentation zu gut geführt, aber doch so weit, dass man in diese Welt gesogen werden kann. Das hier ist kein Open World Rollenspiel, Mount & Blade Warband ist eher Mittelaltersimulation mit anspruchsvollem Kampfsystem. Es gibt zig Herrscher und Reiche, eine riesige dynamische Welt und man selber mittendrin mit hundert Optionen. Hier entwickelt sich die Spielwelt nicht um den Charakter herum und wird nur beeinflusst durch den eigenen Spielfortschritt. Du bist nicht das Zentrum, du bist ein Niemand der versucht mit seiner kleinen Gruppe aus Bauern zum König der Welt aufzusteigen. Das hat definitiv seinen Reiz und ist in seiner Form auch recht außergewöhnlich. Der Multiplayer krankt leider am fehlenden Modsupport, wobei die Zutaten für große Schlachten definitiv vorhanden sind. Ich zumindest hatte schon glorreiche Burgeroberungen zu feiern. Bei dem günstigen Preis kann man einen Blick riskieren.

Mount & Blade Warband
Technik
46
Sound
70
Spielspass
84
Leserwertung0 Bewertungen
0
Kurzfakten
Trotz HD Portierung, optisch veraltet
Taktisches Kampfsystem
Mittelalter/Thronsimulation
Dynamische Spielwelt
Große Schlachten möglich
Spielinformationen
Genre: Strategie / Rollenspiel
Spieler: 1
Alter: 12
System: PS4, XBOXone
66
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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