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Mein erster Besuch der SPIEL unter der Brett-und-Pad-Flagge, darum nun hier das ganz persönliche SPIEL 16 Fazit. Anders als die letzten Jahre wehte mir dieses Jahr selbst für mich sturmerprobten Norddeutschen eine steife Brise entgegen. Dabei fing eigentlich alles so gut an. Wolfgang Hohlbein würde nun schreiben, am morgen wusste der Blogger noch nicht, dass er am Abend verzweifelt, halb dem Wahnsinn verfallen, sich in fremden Decken winden würde.

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Die Fahrt des Grauens

Ja, es ist nun allgemein bekannt, dass es die letzten Jahre immer Probleme mit der Anfahrt nach Essen gab. Dieses Jahr war dem nicht so – theoretisch! Gut gelaunt ging es um 5h in der Früh zum Treffpunkt am Hamburg Hauptbahnhof. Vorfreude, Proviant und alle Bargeldreserven im Gepäck, stiegen ich und meine Brettspielgruppe in den ICE. Direktverbindung, reservierte Sitzplätze mit Tisch. Zum warm würfeln. Zum Karten zocken. Es war angerichtet. Weisheit fürs Leben: Den Abend vor der SPIEL sich in der virtuellen Realität in Raumschiffgefechten verlieren – ungünstig. Alle lachten und fachsimpelten im Zug und ich hielt mich plötzlich mit feuchten Händen am Tisch fest. Denn der ICE schaukelte mich durch. Mein Unterbewusstsein noch in Eve Valkyrie und die VR-Brille auf dem Kopf – irgendwie hatte ich das nicht verarbeitet. Dazu Aufregung, ein abartiges Franzbrötchen und gefühlt abgelaufener Kombucha-Tee, da trafen sich ungünstige Zutaten in meinem Magen zur Abrissparty. Ich konnte nicht sitzen bleiben und schwankte durch den Zug. War ich das erste VR-Opfer? Magen-Darm-Attacke? Egal, die anderen Fahrgäste hatten Angst vor diesem schwankenden, blassen, frierenden Mann. So verbrachte ich zusammengekauert im Flur des ICE, neben dem Klo und dem Fenster der Eingangstür, für den Blick zum Horizont, meine Fahrt nach Essen.

Der Kampf geht weiter

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Cry Havoc

Schnell eingecheckt, waren wir, dank der frühen Fahrt direkt zum Start der Messe im Eingangsbereich. Meinen Freunden verbot ich das Wort „VR„, bei dem mir sofort übel wurde. Die Wörter „Eier„, „Döner“ und „Wurst“ waren auch verboten. Ich hatte nun einige direkte Ziele: Terraforming Mars, den Hyperborea Schnapper und Ein Fest für Odin. Mein Gesundheitszustand war nicht besser, aber der Anblick der Messe, die aufkommende Schatzjäger-Mentalität, irgendwas flutete meinen Körper und gab mir Kraft.

Dank den Infos über Twitter ging es schnell zum Schwerkraft Verlag. Terraforming Mars, ausverkauft. Weiter zur Spieleburg, Hyperborea abholen. Ausverkauft. Ja geil! So macht shoppen Spaß. Zurückhetzen um wenigsten am frühen Vormittag Ein Fest für Odin abholen. Da ich aber angeschlagen war, nicht wie Odin aussehe, war das eine dumme Idee. Quintessenz, am Abend eine zerschundende Schulter durch angehängte Tüten, weil die Finger durch Plastiktüten schon zerschnitten waren – Brettspiele sind oft Schwergewichte. Wer geile Sachen spielen will, muss eben leiden. Und Ein Fest für Odin war zugegeben nicht alleine Schuld. Statt meinen Körper mit Schmerzmitteln hochzudopen, wählte ich die Alternative: Glückshormone durch Kaufrausch. So überlebte ich irgendwie den Tag.

Komische Momente

Enttäuschend, aber da bin ich vielleicht zu naiv, fand ich einen hier nicht namentlich genannten Stand der knapp bemessene oder später ausverkaufte Spiele für einen herben Aufschlag unter die Leute bringen wollte. Zum Teil wurden die Bestände bei anderen Ständen abgekauft – so zum Beispiel auch Terraforming Mars. Die Ebay-Mondpreise von Brettspielern kennt man ja leider auch schon. Da werden die Spiele dann zu Spekulationsobjekten. Ebenfalls wurde die Tageskasse von Ludi Creations geklaut und mir fast auf dem Essener Bahnhof die Tragetasche mit dem Battlefleet Starter. Irgendwie unschön. Habe ich so in der Form bisher nicht erlebt.

Auferstanden

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Scythe

Wir haben die Messe dann ungefähr zwei Stunden vor Schließung verlassen. Ich konnte nicht mehr! Der Kopf platze, der Kreislauf war im Keller. Während meine Freunde Burger aßen und mit anderen Hotelgästen Brettspiele besprachen, schlief ich meinen unruhigen Schlaf. Ich träumte unangenehm, von Blut und Terraforming Mars. Euer Kopfkino wird da schon was draus zimmern. Aber dann, der nächste Tag…

Sehr früh am Tor und doch nicht der erste Messebesucher, aber absolut Fit! Als die Tore geöffnet wurden strömten, nein sprinteten die Leute in die Halle. Das Ziel war von vielen der Schwerkraftverlag. Ich ließ alle Hemmungen fallen, frisch ausgeruht nahm ich die Beine in die Hand und rannte mit. Bog um die Ecke und dann der Schock, eine extrem lange Schlange vor dem Schwerkraftverlag. Alle wollten Terraforming Mars, selbst die, die nicht wussten was das war. Meine Hoffnungen schwanden. Die Schlange hinter mir wuchs immer mehr. Die Kartons wurden weniger. Ich dachte, das war’s jetzt schon wieder, als der Verkäufer rief: „Letzter Karton!“ Am Ende ergatterte ich das vorletzte Terraforming Mars der SPIEL 16. MEIN SCHATZ!

Brettspieler sind die besseren Menschen

Der Rest das Tages war wunderbares schlendern durch die Hallen mit allerhand Testspielen. Wie immer waren die Mitarbeiter der Verlage sehr nett und die Mitspieler an den Tischen super. Hauptproblem: einen freien Tisch finden. Wieder geistig dabei, konnte ich nun diese typische Atmosphäre genießen. Viele Spiele waren es wert gespielt zu werden. Und überall die Messebesucher mit ihren Schätzen unter dem Arm, dazu lachende Gesichter an Spieltischen. Gedränge ja, aber kein Gedrängel. Das kennt man von anderen Messen anders. Herrlich!

Warum so teuer?

Nur, empfindet ihr die Preise für die Brettspiele zum Teil auch als zu hoch – denn weit mehr als 60 Euro waren oft zu sehen!? Ist das ein Problem eigener Übersättigung? Das man selbst mit den Jahren immer kritischer wird? Ich habe eher das Gefühl das die Spiele immer aufwendiger produziert werden, auch von kleineren Verlagen und dementsprechend bei geringer Auflage der Preis natürlich steigt. Nur bedeutet aufwendige Produktion eben nicht immer ein gutes Brettspiel. Gefühlt wurden viele Spiele durch unzählige, oft detaillierte Plastikminiaturen erschlagen. Das sieht cool aus, aber macht ein Spiel nicht besser, oft nur teurer. Ich rieche da immer Blendwerk und verurteile wohl manches Spiel zu schnell, aber klassische Holzsteine können auch sexy sein!

Überraschungshits und unser Flopp

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Raise your Goblets

Kein Spiel 16 Fazit ohne Tops und Flops. Meine großen bekannten Messe-Highlights muss ich hier jetzt nicht aufzählen, die sind bekannt, daher mein persönlicher Überraschungshit: Raise your Goblets. Nicht wirklich kompliziert, vielleicht etwas zu zufällig, hatten wir mit sechs Leuten am Tisch aber einfach nur großartig viel Spaß. Jeder Spieler muss in Raise your Goblets einen vorher festgelegten Mitspieler vergiften, dabei selbst am Leben bleiben und am Ende möglichst am meisten Wein getrunken haben – dann gibt es massig Siegpunkte. Jeder Spieler bekommt dafür einen Becher vorgesetzt, deren Inhalt mit einer Karte abgedeckt wird und einen Sichtschirm hinter dem verschiedene Glasmarker liegen. Rote für Wein, grüne für Gift und weiße für Gegengift. Ist man an der Reihe hat man zwei Aktionen die man beliebig aufteilen darf. Man darf Becher tauschen, Glasmarker verdeckt in die Becher legen, in einen Becher schauen oder die Becher reihum wechseln lassen. Zusätzlich hat jeder Spieler noch einen Charakter mit Spezialfähigkeit. Hat ein Spieler alle Weinmarker verteilt, prostet er den Mitspielern zu und läutet das Spielende ein. Jeder darf noch eine Aktion ausführen und dann wird geguckt was in dem Becher drin ist der vor einem steht. Ein bisschen taktieren, viel bluffen und unkompliziert rumalbern – wir hatten unseren Spaß!

Einen richtigen Flop hatten wir nicht, am Ende haben alle Spiele ihren Charme. Uns allen gefiel allerdings Design Town nicht wirklich. Die Idee ist sicher witzig, aber gerade Städtebau hatten die letzten Jahre einige Highlights (z.B. Machi Kori oder Quadropolis) und die doppelt bedruckten Spielkarten machten das Deckbauen irgendwie unübersichtlich. Der Spielfluss, der ein wenig an Port Royale erinnerte, und zu gieriges spielen bestraft, war stockend. Vielleicht waren wir auch nur zu müde an dem Punkt oder die falsche Zielgruppe.

Unsere Ausbeute

Was haben wir erstanden? Was wird hier in der nächsten Zeit besprochen? Wir haben die Brettspiele mit vier Leuten unter Absprache gekauft – von daher, nein es sind nicht alles meine Spiele. Diejenigen welche hier auf der Seite besondere Aufmerksamkeit kriegen werden, habe ich fett markiert:

Ein Fest für Odin
Great Western Trail
Terraforming Mars
The Manhatten Project
Hai-Alarm
Planet Steam
Dreams
4Gods
Boss Monster 2
Vudu
Dice Master Age of Ultron
Anima
Unter schwarzer Flagge
Titanium Wars
Treasure Quest
World of Tanks Rush
Mit List und Tücke
Targi
Exit – das geheime Labor
Exit – Die verlassene Hütte
Zertz
Artificium
Kling Klang Klunker
Romans go Home
Geistertreppe
Scythe
Reclic Erweiterungen
RES Repubica
Star Wars Angriff der Rebellen
King of Tokyo Power up
Guild Ball Masons Starter
Guild Ball Fisher Starter
Diverse Dropfleet Commander Starter

Spiel 16 Fazit

Die Spielausbeute und Vorfreude auf die kommenden Wochen und Monate ist groß, dank der SPIEL 16. Das mehr an Gewusel auf der Messe war immer noch verkraftbar und Brettspieler sind einfach nette Gesellen! Ich habe im Vergleich zu vorherigen Besuchen der SPIEL diesmal wirklich extrem viele Highlights gesehen und zum Teil auch gekauft und trotz meiner gesundheitlichen Probleme, zu vielen Plastikfiguren und einigen unschönen Momenten, die Zeit genossen. Ich hoffe im nächsten Jahr dann wieder ab Donnerstag und nicht erst ab Samstag. Am Ende noch ein großes Dankeschön an die Leute die diese Messe stemmen, ihr macht mit der besten Messe der Welt einen Klasse Job!

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • […] Die SPIEL 17 ist nun seit über ein Woche rum und erst jetzt kommt das Fazit? Hey, die größte Brettspielmesse der Welt hatte mich so fest im Griff, als hätte mich Cthulhu selbst an die Tentakel genommen! Ich musste zu Kräften kommen – Essen ging bei mir ja auch einen Tag länger. Um dann wieder an der großen alten Monsterkrake zu hängen. Wirkliches Drama! Aber dazu komme ich gleich. Erstmal eine positive Nachricht: der Start zur Messe verlief diesmal ohne VR-Krankheit. […]

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